Zwischen Höhbeck – Endlager Gorleben und Kulturscheune „Die Görde” fand am 16.06.1985 die erste Kunstreise der im Wendland ansässigen Künstler, die sich im Widerstand gegen das unsichere Projekt Endlager engagierten und ihre kreativen Kräfte verschlissen, statt.
Es waren vor allem die Künstler, die sich um Werner und Uta Götz im Roten Haus des Grafen v. Bensdorff Gatow-Gorleben gruppierten.
Ich war eingeladen, den Ort am Höhbeck an der Elbe zu inszenieren – meine erste Land-Art Gestaltung.
Das war ein weiteres Abenteuer: Chaos – Forschung.
- mit einer Irritation spielend – hier die Umleitung des Wasserfalls im Mühlenbecken auf dem Höbeck an der Elbe – durfte ich mit Freude diese neue Figur als mein Werk betrachten -
Projektbericht:
Eigentlich wollte ich gar nicht mehr kommen. Zu viele Hindernisse türmten sich auf –
berufliche Schwierigkeiten, so dass ich mich nicht beurlauben lassen kann und mein Auto ist ziemlich kaputt.
Dann das Wetter, ein Regenschauer jagt den andern, dazwischen immer ein paar hoffnungsvolle Sonnenstrahlen.
Dieser Gewissenskonflikt - - - ich habe zugesagt, diesen Ort zu gestalten!
Also funktioniere ich wie ein Computer, emotionslose Ja-Nein Entscheidungen, von einem Schritt zum nächsten.
Bis ich mich am Sonnabend früh um 5.00 Uhr auf der Autobahn Richtung Westen befinde. Die Sonne scheint, das Auto läuft und ich danke meiner Göttin.
Es verspricht ein schöner Tag zu werden. Bis um 12.00 Uhr in Dannenberg das Auto versagt. Klingeling – Motorschaden.
Da steht er nun der schöne Volvo Baujahr 72 mit seinen roten Ledersitzen, am blühenden Strassenrand und will nicht mehr - ein schöner Tod.
Jürgen hat mich dann abgeschleppt und meine ganzen Utensilien zur Talmühle auf dem Höhbeck gefahren – Planen, Schnüre, Schläuche, Zelt und Schlafsack, Werkzeugkasten, Kupferfolie und mehrere Pakete Glas-und Spiegelstücke.
Ab jetzt gießt es in Strömen. Mit einem geliehenen Kleppermantel und Gummistiefeln regenfest gemacht, machte ich mich an die Arbeit.
Mit Jürgens umsichtiger Hilfe – ganz herzlichen Dank Jürgen – hängen die schwarzen dreieckigen Segel, etwa 20 qm , über dem 7-8 Meter tiefen Abgrund.
Das eine Segel wird so in dem Wasserbecken befestigt, dass der Wasserfall mit einer ausgreifenden Kurve in den Tiefenraum des ehemaligen Radkastens fällt.
Das zweite Segel fängt diese Abwärtsbewegung auf und betont mehr die Höhe, schwebt in Höhe der Baumkronen über dem Abgrund. Um die äußerste Spitze in Position zu bringen muß ich zehn oder noch mehr Meter in eine Buche klettern.
Für den Klang in der Tiefe hänge ich mehrere klingenähnliche Spiegelstreifen an der durchsichtigen Verspannung auf. Von dem abgelenkten Wasserstrahl werden diese in Bewegung versetzt und zum Klingen gebracht.
Es tönt wie gekreuzte Schwerter in der Tiefe und gelegentlich blitzt ein Sonnenstrahl herauf.
Was soll das alles – fragte ein Besucher – sind die Künstler nicht alle ein bisschen wahnsinnig?
Irgendwie schon, wenn man Wahn mit einer dunklen, nicht dem direkten Zugriff der gewöhnlichen Wahrnehmung - Spurensuche gleichsetzt, bekommt es sogar einen Sinn:
In die unbewussten Tiefen tauchen, der Vergangenheit nachspüren, sich dunkel an etwas erinnern.
Mir ist als hätte ich am Höhbeck schon einmal gelebt. Auf jeden Fall ein vertrauter Ort.
An der talmühle
ich betrete die wiese
glas, wasserperlen darauf
und gläser mit pfefferminztee.
darauf schwimmt ein blatt
zitronenmelisse?
ich zerkaue es genüsslich.
das glas noch in der hand
gehe ich zu einer betonplatte,
ich suche, woher der klang kommt.
stehe dann am rand des bassins
mir wird schwindelig.
genauer ist es dieses sausen
im magen.
was ich da unten in der tiefe sehe,
zieht mich so an, dass ich mich schwer
auf der plattform verankere,
um dann nach unten zu starren.
nicht mehr lösen kann ich den blick
vom stetig sich verändernden fluß.
spiegelscherben – sie klirren im mut des wassers
zeigen dunkel und sehr hell nur.
gespannte schwarze segel vertiefen die tiefe,
die mich schwindlig macht oder eher –
das sausen, sausen – und hinunter gings - !
aber die spiegel schicken mich zurück
zum delta. –
fließendes wasser formt und vergeht im tiefen
hässlichen betonbecken. – harmonie in fis.
ich gehe zurück zu dem gläsernen tisch
und den hundert gläsern und wassertropfenperlen
fische ein grünes blatt aus einem leeren glas
und zerkaue es genüsslich.
zitonenmellisse oder doch pfefferminz ?
marlis brendin